Artist statement

Das flüchtige Gefühl des Unbehagens in einer Beziehung nehme ich als Ausgangspunkt für meine Zeichnungen. Mein Anliegen dem nachzugehen, speist sich aus subjektiven Erfahrungen und Erlebnissen, in denen Ungleichgewichte in Beziehungen fein spürbar werden und Dominanz über Andere verdeckt ausgespielt wird. Das unbehagliche Gefühl kann durch kleine Gesten wie Augenbrauenheben oder abfällige Blicke evoziert, durch Seufzer oder mildes Lächeln hervorgerufen werden. Worte und Sätze lassen Abschätzigkeit erahnen und gewinnen an Wirkung, je öfter sie fallen.

Ich gehe jener Form der Gewalt nach, die Pierre Bourdieu als „symbolische Gewalt“ beschrieben hat. Ihre Ausübung erfolgt nicht über sichtbare, körperliche Züchtigung.
Es ist eine sanfte Gewalt, die auf einer emotionalen oder psychischen Ebene operiert und gerade deshalb schwer auszumachen ist. Ich versuche dieser impliziten Gewaltausübung auf die Spur zu kommen und nutze die künstlerische Arbeit als Untersuchungsinstrument. Mein Motivvokabular setzt sich dabei aus Bestrafungen, Überschreiten von Grenzen, Eindringen in die Intimsphäre, Stumm- bzw. Sprachlosmachen und Vorwürfen zusammen.

Ich verstehe mich als Zeichnerin im weitesten Sinne. Aus Papier- und Stoffteilen fertige ich Cut-Outs, die ich zu Figuren zusammennähe. Auf diese Weise lasse ich Arme, Oberkörper und Beine wachsen, Köpfe entstehen und artikuliere Gesten und Haltungen. Mit Farb- und Bleistift beschreibe ich Gesichter, Haare und Hände näher. Die Haut wird mittels Aquarell formuliert.

Ich sehe Papier als skulpturales Material, das mit seiner Flächigkeit ein formales Spiel beginnt, in den Raum greift, sowie gebrochen, verbogen und eingeschnitten werden soll. Mein Anliegen ist, die illusionistischen Konstrukte der Zeichnung aufzuweichen und an den realen Raum heranzuführen. Das Medium soll beide Rollen übernehmen: die des Bildzeichens und die des Bildträgers. Der Bildträger bleibt nicht mehr auf seine Funktion als zweidimensionaler Bildgrund beschränkt.
Er wird zu einer autonomen Form, der maßgeblich die Darstellung der Sujets mitgestaltet. In meiner Arbeitsweise entsteht daher das Bildzeichen Zug um Zug mit dem Bildträger. Sie verbinden sich zum fertigen Bild, angelegt in einem Spannungsfeld zwischen den Kategorien Zeichnung und Skulptur.

Text: Iris Christine Aue, 2011

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